Einen Monatslohn hinuntergespült
Altenrhein. Beim täglichen Gang durch die Abwasserreinigungsanlage kontrolliert der Klärmeister Wasser und Maschinen. Ihm sträuben sich die Haare wenn er sieht, was Leute alles in den Abfluss werfen.
Rund um die Abwasserreinigungsanlage in Altenrhein riecht es nach Fäkalien und Verfaultem. Viktor Klausberger scheint sich jedoch nicht sonderlich daran zu stören: «Für mich stinkt es nicht, hat es auch noch nie.» Er wirft einen Blick auf die Uhr: Zeit für seinen täglichen Rundgang. Mit grossen Schritten betritt er das Hauptgebäude und klettert dort die Stufen hinunter – 15 Meter unter die Erdoberfläche.
Unterirdisch bis nach Rorschach
Durch den Haupt-Zulaufkanal gelangt das Abwasser in das Gebäude: 300 Liter pro Sekunde passieren bei trockenem Wetter die Schleuse, die die Kläranlage von aussen abtrennt. Der Kanal führt unterirdisch bis zum Restaurant Schweizerhof an der Eisenbahnstrasse in Rorschach. Von dort verästelt er sich in mehrere schmale Nebenkanäle. Viktor Klausberger läuft den grossen einmal jährlich ab, um Wände und Boden nach Unebenheiten abzusuchen. Diese Aufgabe stinkt sogar dem Klärmeister. «Wenn wir die Gully-Deckel nicht öffnen würden, wäre es kaum auszuhalten», gesteht er.
Monatslohn hinuntergespült
Das Abwasser fliesst im Hauptgebäude zuerst einen langen Gang entlang und gelangt dann in einen Kies- und Grobsandfang, wo Äste und Steine abgefangen und mit einer Kiespumpe entfernt werden. Das Hauptpumpwerk befördert das Wasser dann in das 15 Meter höher gelegene Rechengebäude.
Eine automatisierte Anlage entnimmt dem Wasser Unrat wie Lumpen, Wattestäbchen und Haare. Wurden auch schon aussergewöhnliche Gegenstände gefunden? «Und ob», sagt Viktor Klausberger, «einmal habe ich einen USB-Stick gefunden, auf dem der Name einer Firma in Heiden vermerkt war.» Auf dem Stick hätten sich wichtige Daten befunden, die dem Unternehmen abhanden gekommen seien. Ein anderes Mal erhielt der Klärmeister einen Anruf von einer aufgeregten Mutter. Ihr Kind habe den ganzen Monatslohn des Mannes die Toilette heruntergespült. «Obwohl das Wasser dem Geld nicht viel anhaben kann ist es schwierig, die Scheine in dieser Brühe wieder zu finden», sagt Viktor Klausberger. So auch in diesem Fall – sehr zum Leidwesen der Eltern.
Wo sich Wasser staut, muss der Klärmeister die Gegenstände von Hand herausfischen. Immer wieder schüttelt er dabei den Kopf: «Die Leute schmeissen einfach alles den Abfluss hinunter.» Hier haben sich Kartoffelschalen verfangen, dort hängt eine Socke. Das Material wird ausgesondert, ausgepresst und der Kehrichtverbrennungsanlage zugeführt.
Das Wasser fliesst weiter in ein Becken. Dort schiebt eine Maschine den Sand und Schlamm, der am Boden haften bleibt, von einem Ende zum anderen. Das Material fällt in einen Trichter und wird mit einer Pumpe in das Silo in der Nähe des Beckens befördert. Zum Schluss fliesst das Abwasser in ein Becken, wo es biologisch gereinigt wird. Das Wasser enthält noch viele Stickstoffverbindungen, die Gewässer belasten. In der biologischen Reinigungsstufe können diese Stoffe grösstenteils beseitigt werden.
Sauber, aber kein Trinkwasser
«Das ist aber auch nach der biologischen Reinigung noch kein Trinkwasser», sagt Viktor Klausberger. Trotzdem: Wenn die Abwasserreinigungsanlage nicht wäre, könnte die Trinkwasserversorgung aus dem See laut dem Klärmeister nur mit grossem Aufwand aufrechterhalten werden. Fische und andere Tiere im See würden mehrheitlich sterben.
Das Amt für Umweltschutz besucht die Anlage regelmässig und kontrolliert die Wasserwerte. Auch Viktor Klausberger nimmt an verschiedenen Stationen Wasserproben, um diese im firmeneigenen Labor zu untersuchen. Was passiert, wenn die Werte einmal unter dem Durchschnitt liegen? «In einem solchen Fall kann man nichts mehr machen, das Wasser befindet sich dann bereits im Alten Rhein, unterwegs zum See», sagt der Klärmeister. «Wir müssen der Ursache aber auf den Grund gehen und die Werte das nächste Mal einhalten.»
Am See aufgewachsen
Zu den Aufgaben des Klärmeister gehört aber nicht nur der tägliche Rundgang durch die Abwasserreinigungsanlage. Viktor Klausberger repariert Maschinen und überwacht die Kläranlage. Der gebürtige Rorschacher ist am Bodensee in der Nähe der Badhütte aufgewachsen. Er kann sich ein Leben ohne den See gar nicht vorstellen: «Umso schöner finde ich es, meine Arbeit mit dem Wasser verbinden zu können.»