Der AVA Altenrhein lässt tief blicken

St.Galler Tagblatt, 13.9.2024, von Rudolf Hirtl

 

Der AVA Altenrhein legt ein historisches Buch neu auf: Spannende Einblicke in Betrieb und Weiterentwicklung

Der Abwasserverband Altenrhein hat 2017 das Buch «Vorgeschichte und Entstehung» herausgegeben. Nun legt er das Buch mit zahlreichen Bildern und Texten zum Thema «Betrieb und Weiterentwicklung» neu auf. Die Vernissage zum neuen Band fand im Anschluss an die Delegiertenversammlung am 25.9.2024 im Würth Haus in Rorschach statt.

Urs Keller ist Ingenieur. Und Abwasserreinigung ist hochtechnisch. Im 2017 erschienenen Buch zum 50-Jahr-Jubiläum des Abwasserverbandes Altenrhein (AVA) für Gemeinden in der Region Rorschach, am Alten Rhein und im Appenzellerland geht der frühere Leiter der Abwasserreinigungsanlage (ARA) am Alten Rhein weit über Technisches hinaus. Seine Erläuterungen befassen sich von der Entstehung unseres Sees bis zur Industrialisierung der Region. Dann zeigt er auf, wie die Menschen Fäkalieneimer, Plumpsklos und stinkende Gruben loswurden dank Spültechnik. Und was die Folge war: Unsere Gewässer wurden zum Auffangbecken für Abwasser.

Gleichzeitig bezogen immer mehr Orte das Trinkwasser aus dem beeinträchtigten See. St.Gallen baute bereits 1912 die erste Reinigungsanlage zum Schutz der Steinach und des Sees. Goldach, Rorschach und Rorschacherberg hatten hingegen keine Eile, wie Urs Keller erinnert. Erst ab 1953 liessen sie Standorte prüfen: bei der Badi, unterirdisch beim Hauptbahnhof oder bei der Textilfabrik Kopp. Doch es reifte die Erkenntnis, dass in die Seebucht auch kein gereinigtes Abwasser eingeleitet werden darf. Das bewirkte das Zusammengehen mit Thal, Rhein­eck und St.Margrethen. Diese Gemeinden planten eine ARA in Altenrhein. Treibende Kraft war Matthias Staub, damals Gemeindammann von St.Margrethen, der auch Land sicherte und dann erster Verbandspräsident wurde.

436 Seiten reich bebilderte Seiten im A4-Format

Überraschend stimmte der Naturschutz der grossflächigen Rodung am Ufer des Alten Rheins zu – mit einem Argument, das sich als stichhaltig erwies: Eine der Umwelt dienende ARA am Ufer stoppe das Vordringen von Camping- und Bootsplätzen am Alten Rhein. 1967 gründeten die sechs erwähnten Gemeinden sowie Heiden, Wolfhalden, Lutzenberg und Walzenhausen den AV Altenrhein. Das spektakulärste Werk entstand für die Bevölkerung weitgehend unsichtbar: der kilometerlange Stollen zwischen Rorschach und dem Gebiet Fuchsloch entstand im Tunnelbau. Der Aufbau von Netz und ARA, den Urs Keller leitete, ist im Buch ausführlich dokumentiert. 1975 ging die ARA am Alten Rhein in Betrieb.

Wie sie heute arbeitet, schildert die Neuauflage des Buches, dessen Umfang durch die neuen Fakten, Bilder und Illustrationen auf nicht weniger als 436 Seiten im A4-Format angewachsen ist. Informationen kombinieren die Autoren mit Anekdoten, Reminiszenzen und Zitaten. Zudem dominieren Illustrationen, von alten Stichen über viele Fotos bis zu Karten, Plänen und Zeichnungen. Im Vorwort vom neuen Band heisst es unter anderem: «Die Erkenntnisse sind stark gewachsen über die negativen Auswirkungen verschiedenster abgeschwemmter Stoffe aus der Chemie, Pharmazeutik, Industrie, den Haushalten, dem Verkehr, der Landwirtschaft und anderen Quellen. Parallel dazu wurden von Forschung und Industrie neue Techniken entwickelt, um die Schadstoffe in komplexen Prozessen zu eliminieren.»

Entsprechend habe auch die Abwasserreinigungsanlage Altenrhein aufwendig optimiert und unter anderem mit einer vierten Reinigungsstufe nachgerüstet werden müssen. Energieeffizientere und leistungsfähigere Behandlungsanlagen, zum Beispiel in der Klärschlammtrocknung, habe man realisiert. Die dazu erforderliche Energie werde durch das selbst produzierte nutzbare Gas aus den Faulprozessen des anfallenden Klärschlammes und anderer biogener Abfälle vermehrt genutzt. Heute könne sogar Fernwärme abgegeben werden.

Die Lebensgrundlage Wasser im Mittelpunkt

In der Zwischenzeit haben sich zu den bisher 13 Gemeinden auch Rehetobel, Speicher, Trogen und Wald AR an die Kläranlage in Altenrhein angeschlossen. In Kapiteln des Buches wird auch geschildert, wie im hügeligen Gelände oft schwierige Kanalführungen mit Dükern und Pumpwerken realisiert werden mussten. Bei der Abwasserreinigung fallen grosse Mengen Klärschlamm an, der nicht mehr wie früher als Dünger in der Landwirtschaft verwertet werden kann. Dem Band ist zu entnehmen, dass die ARA schon früh Anlagen zur Herstellung von Brennstoff für die Zementindustrie realisierte. Die ungleichförmige Beschaffenheit des Schlammes erfordert aufwendige Behandlungsprozesse, die laufend optimiert werden. «So ist es nicht verwunderlich, dass heute über 15 andere Kläranlagen und vereinzelt sogar Industriebetriebe ihre Klärschlämme zur Weiterverarbeitung in die ARA Altenrhein liefern», so die Autoren.

Das Buch, das mit einer eindrücklichen und farbenprächtigen Erklärung zur Lebensgrundlage Wasser und zum Trinkwasserspeicher Bodensee beginnt, hätte schon 2018 erscheinen sollen. «Wir wollten mit dem zweiten Band nicht in der Vergangenheit aufhören und haben uns daher entschlossen, etwas zuzuwarten, um auch die technische und betriebliche Weiterentwicklung miteinfliessen zu lassen», sagt der heutige AVA-Geschäftsführer Christoph Egli. Da der zweite Band auch ein Archiv über die Geschichte des ARA sei, habe der Grossteil der papierenen Unterlagen und Dokumente platzsparend ersetzt werden können. In seiner elektronischen Form stehe es nun jederzeit zur Verfügung.

Online oder Print

Der neue Band «Betrieb und Weiterentwicklung» ist hier öffentlich und kostenlos zugänglich. Dort finden sich dann auch Informationen, wie Interessierte ein Printexemplar erwerben können.